Der Verfall von Urlaub ist im Bundesurlaubsgesetz eigentlich klar geregelt. Der Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur bis zum 31. März aus betrieblichen oder krankheitsbedingten Gründen möglich. Nach dem 31. März verfällt er endgültig.
Doch es gibt zwei wesentliche Ausnahmen.
Freiwillige Abweichungen zugunsten des Arbeitnehmers
Zugunsten des Arbeitnehmers darf vom Bundesurlaubsgesetz abgewichen werden. Bestimmt der Arbeitgeber, dass der Urlaub aus dem Vorjahr auch noch im Folgejahr genommen werden darf ohne dass ein Grund für die Übertragung vorlag, begünstigt dies den Arbeitnehmer. Der Urlaub verfällt also nicht grundsätzlich zum Jahresende.
Der Arbeitgeber muss vor Urlaubsverfall warnen
Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, den Arbeitnehmer vor dem Verfall von Urlaubsansprüchen zu warnen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach kann der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch für vergangene Jahre einfordern und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von Urlaub fordern.
Verfall von Urlaub: Sonderregelungen für dauerkranke Mitarbeiter
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte in dem Verfahren „Schultz-Hoff“, dass bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit der Urlaub nicht zum 31. März des Folgejahres verfallen darf. Da die Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahres und des 3-monatigen Übertragungszeitraums durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sind, jedoch tatsächlich nicht die Möglichkeit haben, von ihrem Urlaubsanspruch Gebrauch zu machen, ist die Verfallregelung in diesem Fall unwirksam, da andernfalls den dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern der Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub entzogen würde, was mit Europarecht nicht vereinbar ist. Der Urlaubsanspruch muss laut EuGH einem dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer also erhalten bleiben.
Übertragungszeitraum: 15 Monate statt 3 Monate
In der nachfolgenden Entscheidung „KHS“ hat der EuGH entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der über mehrere Jahre hinweg durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, nicht berechtigt ist, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit von der Arbeit erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln. Aus diesem Grund akzeptiert der EuGH nationale Regelungen, die vorschreiben, dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten verfällt.
Im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag kann diese Rechtsprechung aber zu vergleichsweise hohen Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung führen, wie Sie hier nachlesen können.
Umsetzung durch das Bundesarbeitsgericht
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidungen in das nationale Recht umgesetzt. Allerdings hat es entschieden, dass die genannten Vorgaben des EuGH nur für den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen bzw. 20 Arbeitstagen gelten, da auch die einschlägige europäische Richtlinie nur einen Mindestjahresurlaub von 4 Wochen vorschreibt.
Darüber hinaus gehende Urlaubsansprüche können also weiterhin bei dauerhafter Erkrankung eines Arbeitnehmers nach Ablauf des dreimonatigen Übertragungszeitraums verfallen. Allerdings muss dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart sein. Ansonsten verfällt der Mehrurlaub auch erst 15 Monate nach Ende des Kalenderjahrs.